Allgemein Deutschland Helgoland 2015

Kulleraugen auf Helgoland

Um ehrlich zu sein, ist mir einfach nur arschkalt. Trotz High-Tech-Wärmepflaster aus dem Outdoorladen, Windjacke und dicken Fleece-Handschuhen möchte ich am Liebsten sofort eine heiße Dusche nehmen. Aber dann hätte ich ja auch gleich Zuhause bleiben können.

Doch diesen Winter wollte ich sie endlich sehen. Diese kleinen, plüschigen Wesen mit den großen Kulleraugen, die sich vor knapp drei Jahren in mein Herz geschmuggelt haben. Natürlich waren schon ihre Eltern beeindruckend anzusehen, aber seien wir ehrlich, Tierbabys sind eben niedlicher. Die Rede ist natürlich von den Keggelroben auf der Helgoländer Düne. Die Wurfsaison beginnt jedes Jahr etwa im November und endet im Januar. Da sind die Weihnachtsfeiertage doch perfekt für einen kleinen Abstecher auf die einzige Hochseeinsel Deutschlands.

Doch ich musste zittern, ausharren und hoffen, dass alles gut geht. Es kam nämlich wie es kommen musste: Das Schiff fuhr am zweiten Weihnachtsfeiertag nicht. Angeblich wegen zu starkem Wellengang oder was-weiß-ich. Also blieb mir nur, eine weitere Nacht in Cuxhaven zu verbringen und auf den nächsten Tag zu hoffen. Für den Laien sah es da am Vormittag genauso bescheiden aus wie am Vortag. Aber das Schiff fuhr, sogar sehr ruhig. Auf dem Außendeck der neuen MS Helgoland war bis kurz vor Ankunft jedenfalls kaum Wellengang zu spüren.

Als Helgoland in Sicht kam, freute ich mich riesig. Schon morgen würde ich die Robben sehen! Heute wollte ich lieber die Insel erkunden, der Langen Anna einen Besuch abstatten und mich (leider erfolglos) in der Astrofotografie üben. Bei meinem letzten (und ersten) Besuch im Rahmen einer Tagesfahrt bin ich nur über die Insel gehetzt, weil ich sowohl die Robben auf der Düne als auch die Lange Anna auf Helgoland sehen wollte; ein recht straffes Programm. Dieses Mal nahm ich mir hingegen genügend Zeit, spazierte am Strand bei der Jugendherberge entlang, ging den ganzen Klippenrandweg und bummelte durch das Unterland.

Am nächsten Tag nehme ich dafür gleich die erste Fähre um acht Uhr zur Düne. Mit an Board: Ungefähr acht Personen, vornehmlich männlich mit fotografischem Equipment, bei dem ich nicht wissen will, was es gekostet hat. Zwei haben sogar einen Rollkoffer eigens für ihre Ausrüstung. Wobei ich das ein wenig unlogisch finde. Einen Koffer auf Sand rollen? Naja, die werden es schon wissen.

Auf der Düne angekommen, will ich besonders schlau sein und flitze querfeldein durch, um noch ein bisschen was vom Sonnenaufgang überm Meer zu sehen. Nicht bedacht habe ich allerdings, dass man nicht überall über die Sanddünen gehen darf; als ich endlich einen Zugang zum Nordstrand gefunden habe, kommt der Schock. Robben. Gefühlt zu viele, denn sie machen Geräusche, die mich eher zur Flucht animieren. Aber bin ich nicht wegen ihnen hier? Um ehrlich zu sein, so halb dunkel-dämmrig, allein zwischen den Dünen, hab ich Schiss! Ich meine, die sehen zwar niedlich aus, aber Robben sind mit über 150 kg keine zu unterschätzenden Raubtiere. Die können sicher ordentlich zubeißen. Also ziehe mich zurück und gehe zum Fähranleger, um von dort aus den Nordstrand entlang zu laufen. Das klappt besser. Außerdem sehe ich hier bereits drei Menschen. Das beruhigt mich.

Der Tag erbarmt sich, schickt sogar kurzweilig die Sonne heraus und belohnt mit tollen Fotomotiven von vielen Robbenbabys. So nah wie hier kommt man ihnen sicher selten. Natürlich ist man immer angehalten, einen Sicherheitsabstand von mindestens 30 Metern einzuhalten. Wer schon einmal auf der Helgoländer Düne war, weiß allerdings, dass das nicht immer realisierbar ist. Erst gegen Mittag erreiche ich den Landeplatz und gönne mir einen warmen Kakao, um aufzutauen. Danach erkunde ich den Südstrand und entdecke kurz vor dem Bungalow-Feriencamp das zuletzt geborene Robbenbabys. Erst in dieser Nacht kam es wohl zur Welt. Sogar die Nabelschnur ist noch zu sehen. Ein Highlight.

Es kann – wenn überhaupt – nur von dem getoppt werden, was meine Augen am nächsten Tag am Südstrand erblicken: Zwei Kegelrobbenbullen, die sich bekämpfen und blutig beißen. Natürlich geht es dabei um eine Frau. Wie könnte es anders sein. Der „Gewinner“ kopuliert schließlich mit einer nahe liegenden Robbenkuh. Wildlife pur! Dafür hat es sich doch gelohnt: Die Kälte, der Wind, das Ausharren und das Warten…

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